Ein Beitrag von Theo Andes
Bildikonen sind das Thema der diesjährigen Tübinale-Filme. Ein perfekter Anlass beides, Ikonen und Filme, miteinander zu verknüpfen…
Was sind Filmikonen überhaupt?
Filmikonen sind - parallel zu Bildikonen - Filme, welche im kollektiven Gedächtnis verankert sind und aus diesem nicht mehr wegzudenken sind. Sie werden in vielen unterschiedlichen Kontexten medienübergreifend referenziert, wie beispielsweise in anderen Filmen, musikalisch, in Alltagsgesprächen oder auch in Form von Memes. Dazu gehören nicht nur gesamte Spielfilme, sondern auch schon einzelne Szenen, Zitate oder Filmmusiken können ikonisch sein. Meist sind es Filme, die ein bestimmtes Genre, die Kinogeschichte oder die gesamte Gesellschaft prägen. Bestimmt denkt man an den ein oder anderen 60er oder 70er Jahre-Streifen, wenn man das Wort Kultfilm oder Filmklassiker hört oder an einen Schwarz-Weiß Film, aber auch unser modernes Kino kennt unzählige ikonische Filmmomente.
In diesem Blogbeitrag stelle ich ein paar der ikonischsten Spielfilme aller Zeiten vor. Natürlich kann diese kleine Expedition in die Filmwelt nicht alle ikonischen Filme aufzählen, deshalb habe ich eine etwas andere Betrachtungsweise vorgenommen und einzelne Genres ausgewertet, die sich gut in einen Gesamtzusammenhang einordnen lassen.
Von Künstlicher Intelligenz hin zu fernen Welten – Science-Fiction im Film
„Red pill (…) blue pill“. Es gibt wohl kaum jemanden, der dieses Zitat nicht kennt oder in irgendeiner Weise schon mal gehört hat. Morpheus bietet Neo die Wahl an, die Wahl zu einer der größten philosophischen Fragen überhaupt. Matrix (1999, R: Die Wachowskis, D: Keanu Reeves) kann ohne Zweifel als einer der ikonischsten Filme aller Zeiten bezeichnet werden. Das liegt nicht nur an der Philosophie mit der er sich durchgehend befasst, nein, es sind auch die revolutionären Action-Sequenzen, das stilbildende Colour Grading und die Etablierung ostasiatischer Kampfkunst in Hollywood. Kaum ein anderer Film wird popkulturell so häufig referenziert, wie Matrix. Dabei hat Matrix nicht die eine ikonische Szene, sondern ist eigentlich eine Symphonie der Ikonizität. Neben der legendären Pillenszene, dürfen die Bullettime-Sequenzen, die Schießerei in der Lobby oder auch der Kung-Fu-Kampf am Ende der ersten Filmhälfte, maßgeblich daran beteiligt gewesen sein.
Noch stilprägender und mindestens genauso philosophisch wie Matrix war jedoch ein Film, der rund 30 Jahre früher erschien. Mit 2001: Odyssee im Weltraum (1968, R: Stanley Kubrick, D: Keir Dullea) gelang es den Machern einen hochwertigen Science-Fiction Film zu schaffen, bevor die Computertechnologie dies überhaupt zuließ. Zahlreiche Sequenzen werden heute als ikonisch bezeichnet und oft referenziert. Legendär ist beispielsweise der Match Cut des in die Luft fliegenden Knochens auf das schwebende Raumschiff. Letztes Jahr erst wurde diese Sequenz von 2001 in der Eröffnungsszene von Barbie popkulturell referenziert.
Nicht nur das Genre, sondern die gesamte Subkultur des Cyberpunks wurde durch einen existenziell wichtigen Film geprägt, welcher so detailreich und grenzenlos ist wie wenige andere. Die Rede ist natürlich von Blade Runner (1982, R: Ridley Scott, D: Harrison Ford). Dieses Science-Fiction-Meisterwerk hat nicht nur die Vorstellung von fliegenden Taxis, von durchsichtigen Regenschirmen und riesigen Werbebildschirmen geprägt, es ist vielmehr eine immersive Reise in eine andere, eine dystopische Welt. Blade Runner erfand die Vorstellung von Science-Fiction quasi neu und war Inspiration für viele folgende cineastische Werke.
Furcht und Schrecken auf der Leinwand
Eine Boje schwankt leicht hin und her, eine einsame Schwimmerin dreht ihre Runden auf offener See. Die Kamera bewegt sich durch das dunkle Blau des Ozeans. Eine tiefe Melodie des Grauens setzt ein. Der erste Blockbuster der Filmgeschichte ist geboren, denn Der weiße Hai (1975, R: Steven Spielberg, D: Roy Schneider) begeisterte seinerzeit Millionen von Zuschauern und formte das Kino mit einem minimalen Budget grundlegend neu. Was den Film jedoch von vielen anderen abhebt, ist das gut durchdachte Drehbuch und die extrem konsequente Umsetzung durch Regie, Cast und Kameraführung. Aber nicht zuletzt ist es wieder einmal die Filmmusik, die den entscheidenden Kick zur Ikonisierung dieses Films beisteuert. Und auch heute noch steht der Film nicht nur narrativ weit vor Disneys Mainstreamproduktionen und co.
Nicht nur Haie können Schrecken einjagen, oft tun dies auch Psychothriller. Sie geben einen unheimlichen Einblick in die Seele des Menschen und halten der Gesellschaft oft den Spiegel durch ihre größten Ängste vor. Shining (1980, R: Stanley Kubrick, D: Jack Nicholson) beispielsweise schafft es exzellent Spannung und Horror zu erzeugen. Nicht nur Kritiker und das Publikum waren überzeugt, der Film hat zudem wichtige ikonische Momente, wie die Axtszene oder der Showdown im Labyrinth. Auch das Schweigen der Lämmer (1991) und Psycho (1960) lieferten zahlreiche ikonische Momente, prägten die Vorstellung von Serienkillern maßgeblich und dienten als Inspiration für viele weitere Psychothriller. Die Faszination für dieses Genre ist beim Publikum ist auch heute noch ungezähmt groß und führt zum Aufgreifen und Weitentwickeln derselben Motive, die schon Jahrzehnte zuvor die Zuschauer in Angst und Schrecken versetzt haben.
Western – Der einsame Held blickt in den Canyon
Eine staubtrockene Einöde, ein Busch rollt vorbei, zwei Männer stehen sich jeweils mit einem Revolver gegenüber.
Vor dem Saloon wippt ein alter Mann mit tief ins Gesicht gezogenem Hut und blickt in die gleisende Mittagssonne. Wir befinden uns inmitten des Showdown eines Westernfilmes. Sie sind ein
größtenteils veraltetes Genre amerikanischer Filmgeschichte, dennoch erinnern sich viele Zuschauer an die ikonischen Darstellungen, die aus ihnen hervorgingen. Stilprägend für die heutige
Wildwest-Vorstellung vom einsamen Revolverhelden, der oft reitend durch die Prärie zieht und Banditen zu Recht und Ordnung weist, sind die amerikanische Einstellungsgröße, Close-ups von
Augenpartien und Revolverhalftern und ultraweite Totalen von endlosen roten Steinwüsten. Einige der bekanntesten sind, neben den John Wayne-Filmen, die Italo-Western der 60er und 70er Jahre.
Prägend für das Genre waren vor allem Für eine Handvoll Dollar und Zwei glorreiche Halunken (1964/66, R:
Sergio Leone, D: Clint Eastwood), sowie Spiel mir das Lied vom Tod (1968, R: Sergio Leone, D: Henry Fonda). Der einsame, altruistische Held weicht in
diesem Subgenre meist zum von Gier und Rache getriebenen Antihelden. Wesentlich zur Ikonisierung beigetragen haben dabei auch Ennio Morricones prägnante Musikstücke. Es ist nicht übertrieben zu
sagen, dass diese maßgeblich zum Wiedererkennungsfaktor für Western geworden sind. Auch wenn der gute alte Western seine besten Tage hinter sich hat, ist sein Einfluss auf unsere Gesellschaft
unbestreitbar. Besonders in Form von Konventionen, Moral, sowie Recht und Unrecht haben sie gesellschaftliche Stereotype teils reproduziert, teils etabliert, aber auch romantisiert.
Ein amerikanisches Trauma und mafiöse Machenschaften
Ein weiteres Nischengenre, welches die amerikanische Filmlandschaft, wohl aber auch die gesamte Gesellschaft in den USA prägt, ist das Kriegstrauma des Vietnamkrieges. Erstaunlich viele preisgekrönte Filme befassen sich mit der Thematik. Sie werden zwar dem Genre des Kriegsfilms zugeordnet, sind aber wohl eher Anti-Kriegsfilme. Sie zeigen verletzliche Soldaten, militärische Strenge und den Kampf ums Überleben für einen vermeintlich größeren Zweck. Vietnamkriegsfilme sind dreckig, in irgendeiner Weise mit der Hölle assoziiert und symbolisieren alles wo man gerade nicht sein will. Die bekanntesten unter ihnen sind wohl Apocalypse Now (1979, R: Francis Ford Coppola, D: Martin Sheen), Platoon (1986, R: Oliver Stone, D: Willem Dafoe), Full Metal Jacket (1987, R: Stanley Kubrick, D: Mathew Modine), Geboren am 4. Juli (1989, R: Oliver Stone, D: Tom Cruise) und Die durch die Hölle gehen (R: Michael Dimimo, D: Robert DeNiro).
Absoluten Kultstatus erlangen auch Mafiafilme. Die Faszination für mafiöse Gangster und deren dunkle Machenschaften und Intrigen scheint grenzenlos. Egal ob in Goodfellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia (1991, R: Martin Scorsese, D: Robert DeNiro), Scarface (R: Brian De Palma, D: Al Pacino), Casino (1995, R: Martin Scorsese, D: Robert DeNiro) oder The Departed (2005, R: Martin Scorsese, D: Leonardo Di Caprio), sie alle thematisieren eine dunkle Halbwelt zwischen Glanz und Gier, zwischen Gesetzlosigkeit und Gewalt. Aber ein Film stellt sie alle in den Schatten: Der Pate (1972, R: Francis Ford Coppola) ist so ikonisch geworden, dass durch ihn ein ganzes Subgenre assoziiert wird. Beginnend bei den Dialogen, über die Mimik und Gestik der Darstellenden bis hin zur erstaunlichen Dramaturgie vermitteln diese stilvollen Filme über Ehre und Familie eine unglaubliche magnetische Anziehungskraft auf Zuschauer.
Fazit
Diese Aufführung an bestimmten (Nischen-)genres und deren Vertreter lässt sich selbstverständlich schier endlos fortführen, ich möchte aber am Ende dieses Beitrags noch die Gelegenheit nutzen ein paar Filme aufzulisten, die die Bezeichnung Filmikone mehr als verdient haben und nicht unerwähnt blieben dürfen: Metropolis (1927), Modern Times (1936), Gone with the wind (1939), Der große Diktator (1940), Citizen Kane (1941), Casablanca (1942), Die zwölf Geschworenen (1957), Vertigo (1958), Ben Hur (1959), Der unsichtbare Dritte (1959), Manche mögens heiß (1959), Lawrence von Arabien (1962), Dr. Seltsam (1964), Easy Rider (1969), Clockwork Orange (1971), Taxi Driver (1974), Einer flog übers Kuckucksnest (1975), Rocky (1976), Star Wars (1977), Der Stadtneurotiker (1977), Alien (1979), Indiana Jones (1981), Stirb Langsam (1988), Terminator 2 (1991), Gefährliche Brandung (1991), Reservoir Dogs (1992), Schindlers Liste (1993), Die Verurteilten (1994), Leon der Profi (1994), Pulp Fiction (1994), Forrest Gump (1994), Die üblichen Verdächtigen (1995), Sieben (1995), Fargo (1996), Titanic (1997), L.A. Confidential (1997), The Big Lebowski (1998), Fight Club (1999), American Beauty (1999), Memento (2000), Requiem for a dream (2000), Donnie Darko (2001), Der Herr der Ringe (2001-03), Kill Bill (2003), Oldboy (2003), No Country for old men (2007), Inglourious Basterds (2009) und La La Land (2016).
Ikonisch oder nicht? Macht Euch selbst ein Bild!
Inspiration:
https://www.esquire.de/entertainment/film/ikonischen-szenen-filmklassiker
https://www.moviepilot.de/filme/beste/schlagwort-kultfilm
Bildquellen: