Laura Walter
Wir alle werden täglich mit einer enormen Flut an Bildern konfrontiert. Oft sehen wir diese nur für wenige Sekunden und können uns später kaum mehr an sie erinnern. Es gibt aber auch Bilder, die einen besonderen Charakter besitzen und bleiben. Sie berühren, bewegen oder schockieren uns, sodass wir diese Bilder nicht mehr vergessen und sie somit in unser kulturelles Gedächtnis eindringen. Diese Bilder haben das Potential zu Bildikonen zu werden. Doch was macht ein Bild zur Ikone? Warum geraten bestimmte Motive über Jahre oder Generationen hinweg nicht in Vergessenheit? Auf diese Fragen werden wir in diesem Beitrag einen Blick werfen und dabei auch auf eine berühmte Bildikonen der Geschichte eingehen.

Bekannte Bildikonen: Yousuf Karsh "Winston Churchill" (1941), Eddie Adams "Hinrichtung in Saigon" (1968), NASA "Apollo-11-Astronaut Edwin „Buzz“ Aldrin posiert mit der Flagge der USA" (1969), Spencer Platt "9/11 World Trade Centers" (2001) , Alberto Korda "Guerillero Heroico" (1960)
Was macht eine Bildikone aus?
Nach Katharina Lobinger (2012) sind Bildikonen „Bilder, die besonders stark im Gedächtnis verankert sind und in der Erinnerung der Rezipienten und Rezipientinnen völlig mit einem Ereignis verschmelzen und dieses sogar ersetzen können“. Bilder werden zunächst zu Schlüsselbildern, die meist ein bestimmtes historisches Ereignis repräsentieren, und besitzen daraufhin das Potential sich zu Bildikonen zu entwickeln.
Im Vergleich zu anderen Medienbildern besitzen sie eine besondere Macht, indem viele Betrachter*innen sich mit ihnen identifizieren können. Deshalb schaffen es immer nur einige wenige Medienbilder wirklich zu globalen Bildikonen zu werden. Früher sind Bildikonen meist aus der Kunst hervorgekommen. Heute liefert hauptsächlich der Journalismus, als Institution der Massenmedien, Schlüsselbilder, die dann zu Bildikonen werden können. Die Bilder, die meist den Ausschnitt eines vergangenen Ereignisses zeigen, bleiben auch in der Gegenwart weiterhin relevant und geraten nicht in Vergessenheit. Ihnen wir gerade im geschichtskulturellen Kontext ein hoher Bekanntheitsgrad zugesprochen.
Die Merkmale ikonischer Bilder
Ein wichtiges Merkmal, das vor allem auch die Macht der Bildikonen auszeichnet, sind emotionale Inhalte, die die Menschen bewegen und große öffentliche Debatten über bestimmte Ereignisse auslösen können.
Bei Bildikonen kann es sich zum einen um ein einzelnes Bild handeln, welches einem konkreten Ereignis zuzuordnen ist. Andererseits kann sich das Bild auch von dem Ereignis lösen und als Leitbild für eine gesamte Bewegung oder als eine typische allgemeine Darstellung, beispielsweise als „Anti-Kriegs-Ikone“, eingesetzt werden. Die Bildikone steht dann nicht mehr nur in Bezug zu einem konkreten Ereignis, sondern ihr wird eine symbolische Wirkung beigemessen. Wiederholte Verwendung führt zu einem „Kanonisierungsprozess“ und somit dazu, dass sie in unterschiedlichen Kontexten verwendet werden.
Gerade in unserer sehr digitalisierten Welt sind auch Produktions- und Distributionsprozesse beschleunigt. Daher zeichnet sich eine Bildikone auch dadurch aus, dass sie die Aufmerksamkeit des Betrachters anzieht, sodass sie nicht nur flüchtig, sondern wirklich intensiv betrachtet wird. Dies ist vor allem bei besonders bewegenden Bildern der Fall. Wenn ein Foto zudem mit einem Preis ausgezeichnet wird, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit zu einer Bild-Ikone zu werden.
Kriterien, die Bildikonen von anderen Bildern unterscheiden:
- Wichtigkeit des dargestellten Ereignisses: Das Bild muss aus einem relevanten Ereignis hervorgehen.
- Symbolkraft: Der Moment eines Ereignisses wird verdichtet und steht für das gesamte Geschehen.
- Berühmtheit: Das Bild wird von vielen Menschen, meist generationenübergreifend erkannt.
- Darstellungsprominenz: Das Bild wird zum Beispiel auf Titelseiten abgedruckt und so im Vergleich zu anderen Bildern deutlich hervorgehoben.
- Häufigkeit der Darstellung/Rezeption: Das Bild wird häufig abgedruckt, geteilt und wiederverwendet.
- Kulturelle Resonanz: Ikonen beziehen sich oft auf ältere Bilder, zum Beispiel aus Religion oder Geschichte.
Bedingungen der Ikonisierung
Bei der Ikonisierung eines Bildes handelt es sich meist um einen Prozess, an dem mehrere Akteure beteiligt sind:
- Die Medienhäuser sind hauptsächlich für die Veröffentlichung und Verbreitung der Medienbilder zuständig. Welche Bilder von den Medien ausgespielt werden hängt von verschiedenen Faktoren ab: Beispielsweise wie sehr ein Ereignis das eigene Land betrifft, ob das Ereignis ein Überraschungsmoment erzeugt und daran mit weiterer Berichterstattung angeknüpft werden kann.
- Auch politische Akteure können Einfluss auf den Ikonisierungsprozess von Bildern nehmen, indem sie ein meist politisch motiviertes Interesse daran haben, dass bestimmte Bilder in den Medien und für das Publikum hervorgehoben werden. Vergangenes soll durch diese Bilder bei den Rezipienten nach einer bevorzugten Vorstellung in Erinnerung bleiben.
- Das Publikum ist ein weiterer entscheidender Akteur. Nur durch die massenhafte Verbreitung und Rezeption brennen sich Bilder in das kulturelle Gedächtnis der Menschen und können so zu Bildikonen werden.
Problematik
Es ist dabei immer zu bedenken: Bilder zeigen meist nicht „die Wahrheit“, sondern sind inszeniert. Wir interpretieren das fotografische Bild anhand des Dargestellten ohne dabei den genauen Kontext zu kennen. Auch Bilder werden stilistisch/rhetorisch gestaltet und somit sind die wenigsten Ikonen als zufällige Schnappschüsse zu betrachten. Schon bei der Entstehung dieser Bilder wird über die später zu erzeugende Wirkung nachgedacht. Momente können so in Szene gesetzt werden, wie sie später bei den Rezipienten in Erinnerung bleiben sollen. Obwohl Fotos meist ein bestimmter Beweis-Charakter zugesprochen wird, sollte jedem bewusst sein, dass die Fotografen die Wirklichkeit mit einem subjektiven Blick betrachten.
Ein Bild wird zur Ikone
Das Foto "The Terror of War" oft auch bezeichnet als „Napalm Girl“ von Nick Út, gilt als eine der bekanntesten Bildikonen des 20. Jahrhunderts.
Die Fotografie zeigt ein nacktes, weinendes vietnamesisches Mädchen, das durch den Napalm-Angriff in Südvietnam schwer verletzt wurde. Das Bild ist am 8. Juni 1972 entstanden und erschien direkt am darauffolgenden Tag auf der Titelseite der New York Times. Das Bild wurde zudem von vielen weiteren Zeitungen geteilt, weltweit verbreitet und verstärkte somit die Debatte über den Vietnamkrieg und wurde zum Symbol der Anti-Kriegs-Bewegung. Später wurde das Bild zudem mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.


Nick Út: „The Terror of War“, 1972
In der Originalaufnahme (linke Abbildung) ist rechts im Bild ein Journalist zu sehen, der den Film in seiner Kamera wechselt. Interessant ist, dass dieser Teil des Bildes bei der Veröffentlichung meist herausgeschnitten wurde (rechte Abbildung). Dies hat Einfluss auf die Bedeutung des Bildes, denn das originale Bild hätte möglicherweise zu einer Debatte über die Rolle der Medien im Krieg führen können. Der Journalist, der sich in diesem Moment scheinbar nicht für die verletzten Kinder interessiert, hätte eine ganz andere Wirkung bei den Menschen hervorgerufen können.
Bildikonen haben also gerade in unserer sehr digitalisierten Welt, in der wir täglich mit großen Mengen an Bildern konfrontiert werden, einen besonderen Stellenwert. Sie zeigen Emotionen, historische Erfahrungen und schaffen es im Gedächtnis der Menschen zu bleiben. Sie heben sich von anderen Medienbilder ab und haben die Macht, öffentliche Debatten zu beeinflussen. Da sich Bilder in wenigen Sekunden weltweit verbreiten ist es wichtiger denn je, ein Bewusstsein für ihre Wirkung und Inszenierung zu schaffen.
Quellenangaben
Kaninski, M. Story Behind The The Terror of War: Nick Ut’s "Napalm Girl" (1972). about photography. Storyhttps://aboutphotography.blog/blog/the-terror-of-war-nick-uts-napalm-girl-1972 Behind The The Terror of War: Nick Ut’s "Napalm Girl" (1972) — about photography
Lobinger, K. (2012). Visuelle Kommunikationsforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93480-8
Sachs-Hombach, K. (2024, 25. November). Medienwandel und Medienkonvergenz [Vorlesungsfolien]. Eberhard Karls Universität Tübingen
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