Die Macht der Bilder: Wie beeinflussen Bilder in den Nachrichten unsere Wahrnehmung?

Helena Harms


Drei Stunden Instagram Screen Time. Mindestens die Hälfte der Zeit flimmern im Wechsel Bilder aus Kriegsgebieten, Pressekonferenzen und Waldbränden über den Bildschirm. 15 Sekunden Videos zeigen Ausschnitte von Terroranschlägen, Krawallen und Nachrichten aus aller Welt. 

In Bildern manifestiert sich eine Scheinrealität direkt auf unser Smartphone oder den Fernseher. Und es sind Bilder die wirkmächtig sind. Die im Kopf bleiben. Und die unter der Maske der Berichterstattung die Wahrnehmung unseres Alltags und unserer Mitmenschen beeinflussen. Doch was genau bewirken Bilder in den Nachrichten? Warum vertrauen wir einem Foto mehr als einem journalistischen Bericht? Und wie können wir uns selbst für die versteckten Appelle von Bildern und ihren Einfluss auf unsere Wahrnehmung sensibilisieren?

Zu sehen ist ein Screenshot des Instagram Accounts der Tagesschau
Die Tagesschau informiert über Instagram vorwiegend die junge Generation über das aktuelle Tagesgeschehen und nutzt dafür entsprechend des Formats der App viele Bilder.

Für viele Menschen ist das Internet mittlerweile zur wichtigsten Nachrichtenquelle geworden. Laut des Reuters Institute Digital News Report 2024 nutzen rund 42% der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland das Internet, um Nachrichten zu konsumieren, 35% der 18- bis 24-jährigen geben soziale Medien als Hauptnachrichtenquelle an.

Und ein Internet ohne Bilder? Unvorstellbar. 

Das unsere Realität durch Bilder bestimmt wird, ist ein Merkmal unserer Zeit, gleichzeitig können Bilder auch unsere Wahrnehmung verzerren, da sie uns nur einen Teil der Wirklichkeit zeigen und oftmals nicht hinterfragt wird, woher ein Bild kommt, warum es veröffentlicht wurde und wie es entstanden ist.

 

Verschiedene Faktoren spielen dabei eine Rolle. Im Folgenden sollen vier von ihnen genauer unter die Lupe genommen werden.

1. Wahrnehmung und emotionale Wirkung

Durch bestimmte Wahrnehmungsautomatismen rezipieren wir Bilder anders als andere Formen der Kommunikation. Ein Bild wird vom Gehirn schneller verarbeitet als eine geschriebene Botschaft, da das Abgebildete direkt eine Assoziation in uns hervorruft. Somit haben Bilder, unter anderem auch die in der Berichterstattung, eine höhere affektive Wirksamkeit und lösen schneller Emotionen in uns aus, als andere Formen der Berichterstattung.

 

2. Framing

Auch die Neigung, abgebildete Eigenschaften als real aufzufassen, wird so verstärkt. Es entsteht der Anschein, dass ein Foto auch wirklich die Realität repräsentiert. Der Fakt, dass dieses Foto mit bestimmter Intention, unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmtem Framing entstanden ist, rückt in diesem Moment in den Hintergrund. 

 

3. kausale Verursachung von Fotos

Wir vertrauen Bildern mehr, da wir sie als indexikalische Zeichen verstehen. Ausführlicher beschäftigt sich damit die Semiotik also die Wissenschaft der Zeichensysteme. Kurz erklärt bedeutet das aber einfach, dass wir durch die kausale Verursachung der Fotografie davon ausgehen, dass das, was auf einem Foto zu sehen ist, uns über das Aussehen des realen Objekts/der realen Situation (Bildreferenten) informiert. Im Gegensatz zu einem Gemälde, welches die Situation aus Perspektive des Künstlers zeigt, gehen wir bei Fotografien, und unserem Wissen darüber, wie sie entstehen, davon aus, dass etwas auch tatsächlich so stattgefunden hat. 

In der Medienwissenschaft nennt man dieses Paradox die semantische Anomalie der Bilder: Die Bildbedeutung ist im Verhältnis zur Bedeutung sprachlicher Kommunikation gleichzeitig bestimmt und unbestimmt. Einerseits vermitteln uns Bilder den Eindruck eines Sachverhaltes unmittelbar, andererseits bleiben mögliche Botschaften, die mit einem Foto vermittelt werden sollen, oft vage und die faktische Beschaffenheit des Dargestellten kann nicht festgestellt werden.

 

4. Bildrhetorik

Dadurch, dass Bilder als neutrale Übermittler von Sachverhalten dargestellt und eingesetzt werden, entsteht der Anschein, sie würden nur das ausdrücken, was sie sind und nicht noch eine unterbewusst vermittelte soziokulturelle Botschaft enthalten. Dabei ist oftmals das Gegenteil der Fall; Bilder besitzen ihre eigene Bildrhetorik und werden beispielsweise durch interne Größen wie Belichtung und Bildtiefe, externe Größen wie Auswahl des Ausschnittes und Motivwahl sowie kontextuellen Aspekten wie Bild-Text-Relationen gestaltet. Sie stehen also in historischen, politischen und soziokulturellen Zusammenhängen und formulieren oftmals einen Appell an das Publikum.

 

Fotografien lassen sich aus diesen Gründen besonders gut ideologisch nutzen, da Sie schnell emotionalisieren, ihnen ein hoher Wahrheitsgehalt zugesprochen wird und Sie als neutrale Quellen wahrgenommen werden, während Framing, Kontext und versteckte Appelle in den Hintergrund geraten. 


Die Semantik beschäftigt sich mit der Bedeutung sprachlicher Zeichen. Wir können uns fragen: "Was sehen wir auf dem Foto? Auf was bezieht sich das Bild? Welche Anspielung oder Symbolik könnte es enthalten? Und was ist der Zweck dieser Darstellung?"
Die Semantik beschäftigt sich mit der Bedeutung sprachlicher Zeichen. Wir können uns fragen: "Was sehen wir auf dem Foto? Auf was bezieht sich das Bild? Welche Anspielung oder Symbolik könnte es enthalten? Und was ist der Zweck dieser Darstellung?"

Ein Exkurs in die Semantik, welchen wir im Rahmen der G3 Vorlesung unternommen haben, hilft uns zu verstehen, welche Ebenen eine Fotografie hat. Indem wir diese Ebenen besser kennenlernen, wird es uns möglich Bilder und ihre Bedeutung besser zu analysieren und kritisch zu hinterfragen.


Die Macht der Bilder in den Nachrichten ist unbestreitbar. Sie besitzen große Wirkmächtigkeit und beeinflussen somit auch die Meinungsbildung und Informationsweitergabe. Verschiedene Faktoren tragen dazu bei, dass wir selten hinterfragen, welche Konnotation ein Bild in uns hervorruft und inwiefern diese Wirkung beabsichtigt ist. 

In Zeiten der fortlaufenden Mediatisierung und einer Realität, die von Bildern dominiert wird, ist hierfür Medienkompetenz der Schlüssel. 

Sich ins Bewusstsein zu rufen, dass Bilder meist mit der Erwartung einer bestimmten Wirkung veröffentlicht werden und nicht nur der reinen Informationswidergabe dienen und die Thematik von Framing, Wahrnehmungsautomatismen und Bildrhetorik im Kopf zu behalten, hilft uns Fragen zu stellen und kritisch zu reflektieren. Wie ist dieses Bild entstanden? Warum wurde es veröffentlicht? Woher kommt es? Und: was soll es uns wirklich vermitteln? 

 

Literaturquellen:

Behre, Julia/Sascha Hölig/Judith Möller: Reuters Institute Digital News Report 2024: Ergebnisse für Deutschland, in: Arbeitspapiere Des Hans-Bredow-Instituts, Verlag Hans-Bredow-Institut, 06.2024, [online] https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/94461/ssoar-2024-behre_et_al-Reuters_Institute_Digital_News_Report.pdf.

Sachs-Hombach, Klaus (2012): Die Fotografie als die "menschenfeindlichste aller Künste"? In: Cantz, Hatje (Hg.): Kunst und Philosophie; 5. Fotografie zwischen Inszenierung und Dokumentation. Ostfildern: Hatje Cantz Verlag, S.29-54.

Krotz, Friedrich (2015): Medienwandel in der Perspektive der Mediatisierungaforschung: Annäherung an ein Konzept. In: Kinnebrock, Susanne; Schwarzenegger, Christian; Birken, Thomas (Hg.): Öffentlichkeit und Geschichte; 8. Theorien des Medienwandels. Köln: Herbert von Halem Verlag, S. 119-140.

Bildquellen:

https://www.instagram.com/tagesschau/?hl=de

Sachs-Hombach, K. (2024, 28.Oktober). Medienwandel und Medienkonvergenz [Vorlesungsfolien]. Eberhard Karls Universität Tübingen.